Ein Biomassekraftwerk, das CO2 speichert, statt auszustoßen
Bioenergy with Carbon Capture and Storage, kurz BECCS: Was ist das und wie funktioniert Ihre Anlage?
TOBIAS ILG: Wir müssen CO₂ nicht nur reduzieren, sondern aktiv aus der Atmosphäre entfernen. Das können wir am Besten mit biogenen Systemen. Bei der Holzverbrennung liegt der CO₂-Gehalt im Abgas bei 10 - 15% - perfekt für eine Abscheidung. Wir verwenden eine Aminwäsche: Das gekühlte Abgas wird durch eine Flüssigkeit geführt, die bei rund 30 °C CO₂ bindet. Wird sie erhitzt, gibt sie es wieder ab. Das Verfahren ist Stand der Technik, aber energieintensiv - vor allem die Wärmezufuhr und Verflüssigung. Die dafür nötige Abwärme und der Strom kommen aus unserem Biomasse-Heizkraftwerk. Derzeit werden etwa 4.000 t CO₂ pro Jahr abgeschieden. Das entspricht ungefähr einem LKW-Transport mit flüssigem CO₂ alle zwei Tage.
"Die Technik ist keine Raketenwissenschaft, aber neu.",
Tobias Ilg, Betreiber des Heizwerks Dornbirn
Seit wann läuft die Anlage - und welche Herausforderungen gab es?
Seit rund einem Jahr. Es gab keine Referenzanlagen in dieser Größenordnung, daher ist unsere Anlage mit 500 kg CO₂ pro Stunde bewusst klein. Sie dient zum Lernen. Die behördliche Abwicklung hat sehr gut funktioniert, technisch ist das System unkritisch.
Wofür wird das CO₂ verwendet?
Die Abscheidung liefert hochreines, lebensmitteltaugliches CO₂. Derzeit geht alles in die Getränkeindustrie. Langfristig sind auch Anwendungen wie E-Fuels oder Kühlmittel denkbar. Die Nachfrage ist hoch. Noch gibt es jedoch keinen eigenen Preis für biogenes CO₂, aber der wird kommen.
Ist eine BECCS-Anlage heute wirtschaftlich?
Noch nicht. Vollkosten liegen je nach System bei 300 bis 1.000 Euro pro Tonne. Es fehlen klare gesetzliche Regelungen und Zertifikate für negative Emissionen. Künftig könnte die dauerhafte Speicherung des abgeschiedenen Kohlenstoffs unter der Erdoberfläche wirtschaftlich interessanter werden. Das würde gleichzeitig den CO₂ Gehalt der Atmosphäre reduzieren.
Für wen könnten solche Anlagen interessant sein?
Für Betreiber von Biomasseheizwerken oder Biogasanlagen. Wir werden große Mengen biogenen CO₂ benötigen, mit dem Ziel Kohlenstoff mehrfach zu nutzen und länger im Kreislauf zu halten.
Welche Chancen sehen Sie für die Bioenergie?
Einen stark wachsenden Markt. Wenn die politischen Rahmenbedingungen passen, werden viele dezentrale Anlagen folgen. Ich gehe davon aus, dass BECCS in zehn Jahren Standard bei Heizwerken ist. Die Technik ist keine Raketenwissenschaft, aber neu. Mit ein bis zwei Stunden Betreuung pro Tag ist sie aber selbst in unserer Pilotanlage im Biomasseheizwerk Dornbirn gut handhabbar.